In Zeiten von Corona dreht sich viel um das Thema „Abstand halten“. Auch im Diabetes-Umfeld ist das ein bekanntes Thema, allerdings nicht räumlich, sondern zeitlich. Der Spritz-Ess-Abstand erfährt wieder eine Renaissance und sorgt passenderweise auch für abgeflachte Kurvenverläufe.
Als Spritz-Ess-Abstand (auch gerne mal mit SEA abgekürzt) wird die Zeit zwischen Insulinzugabe und Beginn der Essensaufnahme beziffert. Dieser Abstand musste vor nicht allzu langer Zeit strikt eingehalten werden, da das (Normal-)Insulin nur langsam den Weg aus dem Fettgewebe in die Blutbahn gefunden hat. Ab Mitte der 1990er-Jahre kam dann das erste schnell wirkende Analoginsulin auf den Markt. Die Pharmaindustrie versprach, dass das Warten nach dem Spritzen ein Ende habe. Und tatsächlich wirkt das Insulin relativ schnell und zumindest ich kann in der Regel nach dem Spritzen direkt losessen. Ein Glücksfall, da das Essen sonst viel mehr durchdacht werden müsste und es so auch für mein Umfeld zur Herausforderung würde.
Allerdings hängt das nicht nur von der individuellen Situation des Diabetikers ab, sondern auch vom jeweiligen Essen selbst. Der Glykämische Index (Was der Glykämische Index (vielleicht) mit den olympischen Spielen zu tun hat) spielt hier eine wichtige Rolle. Er gibt an, wie schnell die Kohlenhydrate eines bestimmten Nahrungsmittels ins Blut gehen. Es geht quasi darum, was zuerst wirkt. Ist das Essen schneller als das Insulin, entstehen unschöne Zuckerspitzen. Wirkt das Insulin zu schnell, besteht Unterzuckergefahr. Idealerweise laufen die beiden Kontrahenten gleichzeitig über die Zielgerade. Dafür braucht das Insulin hin und wieder einen kleinen Vorsprung: einen Spritz-Ess-Abstand. Je nach Insulin (Diabetes für Fortgeschrittene -Wirkungsprofile von Insulin) ist das natürlich auch nochmal etwas anders.
Als Faustregel kann man sagen, dass es Verbesserungspotenzial gibt, wenn der Wert eine Stunde nach dem Essen deutlich über 150 mg/dl liegt. Außerdem sollte spätestens vier Stunden nach dem Essen der Wert wieder in etwa beim Ausgangswert sein. Ist der Ausgangswert schon zu hoch, ist ein Spritz-Ess-Abstand ohnehin Pflicht. Man sollte erst etwas essen, wenn die Basis passt. Dieser Umstand kann im Restaurant natürlich schwierig werden. Insulin zu spritzen, ohne zu wissen wann genau das Essen kommt, gleicht einem Glücksspiel mit möglicherweise fatalen Folgen. Einen Tipp, den ich nach Corona dann ggf. ausprobieren muss: Ein Glas Saft bestellen und einen Teil des Insulins schon mal vorab spritzen. Dauert es deutlich länger, hilft der Saft einem über die Runden.
In wenigen Fällen bekommt auch das Essen einen Vorsprung. Ist der Ausgangswert zu niedrig, sollte man erst mit dem Essen anfangen, bevor das Insulin den Wert noch weiter nach unten treibt. Ob die Zeitspanne dann als „Ess-Spritz-Abstand“ bezeichnet wird, kann ich nur vermuten.
Quelle: https://www.mysugr.com/de/blog/tipp-den-spritz-ess-abstand-richtig-ermitteln/
Photo by Icons8 Team on Unsplash