Wer in meinem vergangenen Artikel über Broteinheiten und wie man mit ihnen rechnet den Überblick verlor, sollte diesen Artikel am besten gar nicht erst lesen. Im Krankenhaus und auch später in der Diabetes-Schulung hieß es immer, dass auch Fette und Proteine eine Auswirkung auf den Blutzuckerspiegel haben und in der Insulintherapie berücksichtigt werden müssten. Wie genau dieser Einfluss ist, wollte man mir so kurz nach der Diagnose wohl noch nicht zumuten, da zugegebenerweise der Effekt auch erstmal zweitranging im Alltag zu betrachten ist.
Trotzdem kam ich schon wenige Wochen nach der Diagnose damit in Berührung. Wir waren zum Grillen eingeladen. Es gab Steaks, Würstchen, grünen Salat und ein bisschen Brot. Es schien das ideale Essen für Diabetiker zu sein, da man das Brot gut abschätzen oder wiegen kann. Steak, grüner Salat und Bratwurst haben keine oder nur verschwindend geringe Mengen an Kohlenhydraten. Ich konnte mich also mal wieder ohne große Vorabplanung durch den Abend schlemmen. Doch je länger der Abend war, desto höher auch mein Blutzuckerspiegel.
Baguette (100 g):
- Kohlenhydrate: 56 g
- Fett: 0,7 g
- Protein/Eiweiß: 8 g
- Kalorien: 286 kcal
Rinder-Steaks (200 g):
- Kohlenhydrate: 2 g
- Fett: 8 g
- Protein/Eiweiß: 42 g
- Kalorien: 212 kcal
Bratwurst (150 g):
- Kohlenhydrate: 1,5 g
- Fett: 28 g
- Protein/Eiweiß: 28 g
- Kalorien: 370 kcal
Da ich mich nur auf die Kohlenhydrate konzentrierte, habe ich nur 60 g Kohlenhydrate, also 6 KE berücksichtigt. Die hohen Fett- und Proteinmengen des Fleisches sind unter den Tisch gefallen. Eine FPE (Fett-Protein-Einheit) entspricht 100 Kilokalorien aus Fett oder Eiweiß. Um eine FPE zu bestimmen, gibt es daher verschiedene Rechenwege.
Rechenweg 1:
FPE = (Gramm Fett / 11) + (Gramm Eiweiß / 25) Steak: (8 / 11) + (42 / 25) = 2,4 FPE Bratwurst: (28 / 11) + (28 / 24) = 3,7 FPE
Rechenweg 2:
FPE = ((Gramm Fett * 9) + (Gramm Eiweiß *4)) / 100 Steak: ((8 * 9) + (42 * 4)) / 100 = 2,4 FPE Bratwurst: ((28 * 9) + (28 * 4)) / 100 = 3,7 FPE
Rechenweg 3 (für den Kopf geeignet):
FPE = (Kalorien - (Gramm Kohlenhydrate * 4)) / 100 Steak: (212 - (2 * 4)) / 100 = 2 FPE Bratwurst: (370 - (1,5 * 4) / 100 = 3,6 FPE
Da eine FPE in der Theorie wie eine KE zu berücksichtigen ist, hätte ich an dem Grillabend durchaus die doppelte Menge an Insulin spritzen müssen. Allerdings sind FPE etwas schwieriger zu handhaben. Jeder Körper reagiert etwas anders, so dass man sich in jedem Fall langsam an das FPE-Spritzen herantasten muss. Je größer der FPE-Anteil ist, desto länger wirkt sich das auf den Blutzuckerspiegel aus:
- 1 FPE (100 kcal) über 3 Stunden
- 2 FPE (200 kcal) über 4 Stunden
- 3 FPE (300 kcal) über 5 Stunden
- 4 FPE und mehr über 7-8 Stunden
Hätte ich zum Grillen direkt die doppelte Menge gespritzt, wäre also die Gefahr einer kurzfristigen Unterzuckerung gegeben. Besser ist es in dem Fall verzögert ein zweites Mal zu spritzen oder bei ganz großen Mengen vielleicht sogar die Basalmenge vorab zu erhöhen. Pumpenträger sind hier klar im Vorteil. Sie können einen Zeitraum angeben, in dem das Insulin verzögert zugegeben wird. Dieser Effekt macht auch die Pizza schwerer zu berechnen (Pizza – die Königsklasse unter den Essen).
Alle relevanten Nährwerte sind meistens direkt in der Googlesuche nach dem entsprechenden Lebensmittel ersichtbar oder man schaut auf fddb.mobi nach. Für Rechenfaule gibt es sogar Apps, die auch FPEs berücksichtigen.
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