FreeStyle Libre 2 vs. Dexcom G6 – zwei Glukosemesssysteme im Vergleich

Nicht ganz freiwillig (hier der Auslöser) testete ich in den vergangenen drei Wochen ein alternatives Glukosemesssystem zum FreeStyle Libre 2, den Dexcom G6. Auch wenn der Vergleich mitten in der Diskussion um die Nachfolger FreeStyle Libre 3 und Dexcom G7 etwas verspätet wirkt, fand ich es erkenntnisreich nach einem Jahr einmal einen anderen Sensor zu probieren.

Der erste Eindruck von Dexcom war allerdings nicht der Beste. Nachdem ich den Testsensor bestellte und auch direkt die Versandbestätigung erhielt, dauerte es fast zwei Wochen bis der Sensor tatsächlich bei mir war. Da es eine Frist gibt, um eine Umfrage zur Nutzung auszufüllen, rief ich den Support an. Immerhin waren sie hier sehr nett und verlängerten die Frist unkompliziert.

Tragestellen

Eigentlich wollte ich die Testphase direkt mit einem Werte-Vergleich starten. Der FreeStyle Libre war noch zwei Tage gültig, als ich mir den Dexcom setzte. Aber die Testphase war denkbar kurz. Nach wenigen Stunden und einem Rucksack-Träger später war der FreeStyle Libre Geschichte. Ich zog ihn mir unfreiwillig beim Absetzen aus dem Arm. Mist. Aber Gott sei Dank hatte ich den Parallelbetrieb, denn wir waren eingeladen. Ich hätte sonst ohne Sensor einen Grillabend überstehen oder noch einmal nach Hause fahren müssen. Und hier kann der Dexcom direkt punkten, denn er kann nicht nur am hinteren Arm gesetzt werden. Erwachsene können ihn auch am Bauch tragen, was ich zu diesem Zeitpunkt tat. Der etwas klobigere Sensor konkurriert hier mit meinen Spritzstellen für das Insulin. Mit dem großzügigen Klebestreifen sieht er zudem deutlich medizinischer aus als der fast schon apple-artige Libre. Ich fühle mich mit dem Dexcom ganz subjektiv kränker. Vor allem, wenn er im für mich sichtbaren Bereich an meinem Bauch ist. Aber immerhin ist es eine Stelle, bei der man keine Angst vor Rucksäcken haben muss. Auch wenn ich meine kleine Tochter auf dem Arm trage, muss ich nicht aufpassen, dass sie nach dem Sensor greift.

Tragestelle am Bauch Dexcom G6

Konnektivität

Das Scannen wäre in dieser Situation am Bauch sicherlich auch einfacher, ist aber gar nicht mehr notwendig. Und das ist der riesen Vorteil. Während man mit dem Libre das Smartphone noch an den Sensor führen muss, sendet der Dexcom kontinuierlich die Werte auf das Gerät. Sie werden sogar dauerhaft als Notification angezeigt. Ich musste daher noch nicht einmal das Smartphone entsperren – zumindest, wenn der Sperrbildschirm nicht mit anderen Nachrichten zugemüllt war. Noch komfortabler wäre es, wenn die Werte auf die Smartwatch kommen würden. Auch wenn Dexcom hier immerhin die Apple Watch unterstützt, wünschte ich mir auch für Android mehr Angebote. Die Unternehmen müssten noch nicht einmal selbst Widgets oder Watchinterfaces anbieten, solange sie es ermöglichen, dass auch andere Apps auf die Daten zugreifen können. Aber hier stellt sich vor allem Abbott mit dem FreeStyle Libre noch quer. Sie setzen ausschließlich auf ihre eigene App.

Apps

Die LibreLink-App empfand ich bislang immer als funktional und wenig begeisternd. Sie gewinnt aber durchaus an Ansehen, wenn man die Dexcom-App dagegen hält. Bevor man die Dexcom-App nutzen kann, muss man erst einen allgemeinen Warnhinweis bestätigen. Jedes verdammte Mal. Natürlich muss man sie nicht ständig öffnen, was hier nochmal positiver ist. Aber auch beim Eintragen der Kohlenhydrate oder der Insulinmengen ist die Dexcom-App unnötig kompliziert. Während ich bei der Libre-App mit einem Klick auf der entsprechenden Seite bin, auf der ich beides eintragen kann, muss ich bei Dexcom

  1. „Ereignisse“ klicken, dann
  2. „Ereignis hinzufügen“,
  3. mich dann für Insulin oder Kohlenhydrate entscheiden,
  4. die jeweilige Menge eintragen,
  5. bestätigen,
  6. die Bestätigung bestätigen,
  7. alles wiederholen für Insulin oder Kohlenhydrate,

und dann hoffen, dass man sich nicht verklickt hat, weil das Editieren nicht möglich ist und das Löschen natürlich auch drei Klicks mehr benötigt. Schlimm, wenn man selbst Apps entwickelt und sieht, wie viel in Sachen Usability hier einfach falsch gemacht wird.

Dexcom hat sich außerdem dazu entschieden, für alles eine eigene App zu machen, so dass man schon im Appstore überfordert ist. Man muss schon vor dem Download entscheiden, welche Einheit für den Zuckergehalt man nutzen möchte. Außerdem gibt es mit Clarity noch eine weitere App für die Auswertung der Statistiken. Die Konkurrenz-App von Abbott hat es hier geschafft, alles sinnvoll in einer App unterzubringen – und das ist auch nicht schwer.

Ich könnte mich noch über viele weitere Details der App aufregen, z.B. dass ich bei der Anmeldung nicht weitergekommen bin, weil das Geburtsdatum in einem falschen Format war, mir die App das aber nicht direkt mitteilen wollte. Für eine App, die man mehrmals am Tag nutzt und der man Vertrauen schenken muss, weil es um die Gesundheit geht, sind das meiner Meinung nach viel zu viele Fauxpas.

Sensor setzen

Der Sensor als solcher muss von Dexcom alle 10 Tage neu gesetzt werden. Den FreeStyle Libre wechselt man alle zwei Wochen. Das heißt man braucht ca. 26 FreeStyle-Sensoren im Jahr und 37 von Dexcom. Auch wenn Dexcom den eigentlichen Sensor mehrfach verwendet, fällt hier natürlich deutlich mehr Plastikmüll an. Auch für das reinigen der Klebestelle geht mehr Zeit drauf, nicht nur weil der Sensor öfter gewechselt wird, sondern auch weil die Klebestelle größer ist. Außerdem hat der Dexcom mit zwei Stunden eine doppelt solange Aufwärmphase bis Werte übermittelt werden. Auf das Jahr hochgerechnet hat man mit einem Dexcom so 48 Stunden weniger Daten.

Werte

Um die Werte besser einschätzen zu können, habe ich mir noch einen zweiten Probesensor bestellt und diesen nun parallel zum FreeStyle Libre am Arm. Ich muss sagen, dass die Werte relativ nah an den Blutwerten sind. Während der FreeStyle Libre tendenziell niedriger ist (ca. 10%), ist der Dexcom eher zu hoch. Allerdings kann man den Dexcom kalibrieren und so näher an den eigentlichen Wert holen, was natürlich ein Vorteil ist. Am ersten Tag als ich die Sensoren gesetzt habe, habe ich aber den Glauben in die Sensoren an sich verloren.

Art der MessungZeitpunkt 1Zeitpunkt 2Zeitpunkt 3
Free Style Libre58 fallend66 stabil66 stabil
Dexcom172 fallend147 stabil126 stabil (102 nach Kalibrierung)
Blutig967978
an Tag 1 der Sensornutzung

Da ich bereits wusste, dass es am ersten Tag immer etwas braucht, bis es sich einpendelt, habe ich die Reihe am nächsten Tag fortgesetzt und es war wesentlich vertrauenserweckender. Dieser Einklang blieb im Großen und Ganzen.

Art der MessungZeitpunkt 1Zeitpunkt 2Zeitpunkt 3
Free Style Libre99 stabil110 stabil109 stabil
Dexcom112 stabil119 stabil137 stabil (128 nach Kalibrierung)
Blutig107114124
an Tag 2 der Sensornutzung

Fazit

Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile. Ich würde mich einfach freuen, wenn Abbott mit dem FreeStyle Libre 3 insofern nachliefert, dass die Werte auf der Uhr oder mindestens vielleicht auch auf dem Sperrbildschirm ablesbar sein können, dann wäre das System für mich der klare Gewinner dieses Vergleichs. Zumal die Krankenkasse den kostspieligeren Dexcom auch nicht immer zahlt.

3 Kommentare zu „FreeStyle Libre 2 vs. Dexcom G6 – zwei Glukosemesssysteme im Vergleich

Gib deinen ab

  1. Auf Libre 3 zu warten würde ich nicht. Ich nutze schon 6 Monaten die Libre 2 und gepachtet App mit allen Alarmen, die man braucht, dazu werte auf ein Garmin vivo active 3 Uhr. Fast kein Problem, nur kompilieren unter Linux war etwas Tricky, aber die Anleitungen sind ziemlich gut.

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  2. Hallo Christian! Tolle Informationen von Dir. Seit Dexcom >G5< bin ich mit CGM unterwegs. Deine Erfahrungen Teile ich voll und ganz. Möchte aber noch einiges hinzufügen:
    1. Starke google Abhängigkeit (googleanalytics u. googleapis) und somit Vertrieb von sensibelen Daten
    2. Saumäßig schlechte Pflege von Updates (Smartphone Anpassung)
    3. Sehr geringe Auswahl von Smartphones (Samsung, Apple, Motorola, LG, google)
    4. Katastrophale Analyse Tabellen (nur über Clarity oder *.csv)
    5. Häufige Fehler, die zum Abbruch einer Sitzung führen (Sensor, Transmitter, Software-…)
    Als überragend allerdings möchte ich den allgemeinen und den technischen Support hervorheben. Wenn das nicht wäre, Libre willkommen.
    Mein hbA1c hat sich bei aller Meckerei aber fast halbiert: Vorher 14,4, seit Dexcom 6,9 – 9,5 mmol

    Gruß Marten, Duisburg

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