Erstaunte und gleichzeitig ratlose Blicke sehen mich an, wenn ich von meiner Diagnose erzähle und berichte, dass bei mir nüchtern Zuckerwerte von 250 mg/dl gemessen wurden. Die wenigsten Nicht-Diabetiker wissen, welche Werte „normal“ sind. Aber auch ich stelle beim genaueren Hinschauen fest, dass ziemlich viele Faktoren den Blutzuckerspiegel beeinflussen und „normal“ dann doch sehr individuell sein kann.
Laut der Deutschen Diabetes Gesellschaft sind Nüchternwerte unter 100 mg/dl gängig. Im Schnitt pendelt sich hier der Wert bei ca. 80 mg/dl ein. „Um die 100“ ist auch meine kurze Antwort in Gesprächen mit Freunden und Bekannten. Wer sich jetzt aber einen gradlinigen, konstanten Verlauf vorstellt, liegt falsch. Auch bei gesunden Menschen und einer voll funktionierenden Bauchspeicheldrüse hat die Blutzuckerkurve ihren Namen verdient. Gerade nach dem Frühstück wird oft der größte Anstieg beobachtet und Werte von 140-160 mg/dl gemessen. Nach etwa zwei Stunden sollte sich der Wert aber von alleine wieder nach unten reguliert haben.
Tatsächliche Kurvenverläufe von gesunden Menschen zu finden, war gar nicht so einfach, denn leider bekommen sie mit intakter Bauchspeicheldrüse eher selten ein CGM-System verpasst. Eine Studie mit „24 Stoffwechselgesunden“ (Quelle: CGM- und Insulinpumpenfibel – Ulrike Thurm & Bernhard Gehr), die über mehrere Tage einen Sensor trugen, ergab grob folgenden Blutzuckerverlauf.

Es zeigt, dass der Basiswert im Schnitt eher 80 mg/dl ist und zu den drei Mahlzeiten der Wert kurzzeitig um ca. 40 Punkte steigt. Man sieht auch, dass es durchaus deutliche Unterschiede gibt und tatsächlich auch mal 160 mg/dl erreicht werden.
Ilka Gdanietz machte ähnliche Erfahrungen mit zwei gesunden Kollegen und veröffentlichte deren Werte in ihrem Blog: www.mein-diabetes-blog.com. Schaut man sich auf Wikipedia den Kurvenverlauf eines angeblich Gesunden an (Link), kann man schön sehen, wie der Insulinspiegel nahezu parallel läuft, um den Blutzucker wieder zu regulieren.
Schaut man sich im Vergleich dazu meine Werte der letzte 90 Tage im Durchschnitt an, versteht man warum. Allerdings funktioniert meine Bauchspeicheldrüse ja auch noch ein bisschen.

Aber nicht nur der Stärke- oder Saccharosegehalt bestimmen unterschiedliche und individuelle Kurvenverläufe. Es ist sehr viel komplexer. Hormone, Infektionen, Aktivitäten oder sogar das Wetter kann Einfluss auf den Zucker und die Insulinwirksamkeit haben. Dazu werde ich aber im Detail noch einen eigenen Beitrag schreiben.
Achja… und am Tag der Diagnose waren die Werte nach einem Käsebrötchen schon bei 600 mg/dl. Wenn man bedenkt, dass dann noch das Mittagessen und vielleicht Schokolade zwischendurch dazugekommen wären, möchte ich nicht wissen, wie hoch der Wert zu Spitzenzeiten war. Ok…das war nur so eine Redewendung. Ich möchte es natürlich wissen.
Sehr informativ – und erneut spannend geschrieben. Prima ✌️
Alfred
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Ich glaube, du hast die Grafik bei Wikipedia falsch interpretiert. Die 250 bzw. 300 beziehen sich auf die Insulinkonzentration im Blut, nicht auf den Blutzucker.
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