Wie ihr spätestens mit dem Artikel „Befestigungen für Freestyle Libre-Sensor“ wisst, trage ich quasi seit Beginn meiner Diabetes-Laufbahn einen Sensor am Arm. Er gibt mir regelmäßig Auskunft über meinen Zuckerzustand und warnt, wenn ich mich in Werteregionen bewege, die gesundheitlich nicht zu empfehlen sind.
Dieser Sensor gehört zu einem CGM-System (Continuous Glucose Monitoring), er misst also kontinuierlich den Zuckerwert und schickt ihn alle 5-10 Minuten auf ein Lesegerät. So muss ich mir als „Mensch mit Diabetes“ nicht mehrmals am Tag in den Finger stechen, um den aktuellen Wert zu sehen. Um mit einem solchen System quantitativ mitzuhalten, müsste ich mir mindestens 150 mal am Tag in den Finger stechen, das macht kein Finger lange mit. Es gibt mir außerdem die Möglichkeit Tagesverläufe zu analysieren und Muster zu erkennen (Kurvendiskussionen mal anders). Ich sehe An- und Abstiege, auch wenn ich nicht ständig messe und habe so die komplette „Achterbahn“ auch rückwirkend im Blick.
Obwohl das schon ziemlich überzeugende Vorteile sind, hat auch die Blutzuckermessung nach wie vor ihre Berechtigung. Während ich im Blut immer direkt den aktuellen Blutzuckerwert ablesen kann, so muss ich bei einem CGM-System auf Prognosen vertrauen. Der Sensor misst nämlich nicht den Blut-, sondern den Gewebezucker und der ist immer etwas verzögert. Der Abstand zwischen den beiden Werten beträgt um die 10-15 Minuten. Pfeile geben eine Trendprognose ab, um die aktuelle Situation besser abschätzen zu können. Dass aber auch diese Pfeile nicht immer eindeutig sind, zeigt eine Vergleich zur Achterbahn.
Die Blutzuckermessung sitzt ganz vorne in der Achterbahn. Sie lebt im Hier und Jetzt und weiß genau, wann es hoch und wieder runter geht. Die Gewebezuckermessung sitzt in einem hinteren Wagen und während sie vielleicht noch am fallen ist, geht es vorne im Wagen schon in die entgegengesetzte Richtung. Die Trägheit (angezeigt durch Pfeile) suggeriert, dass es so weitergehen muss und ist somit falsch.
Dieses Phänomen hatte ich kürzlich extrem, als ich joggen war. Mein Lesegerät schlug Alarm und zeigt „45 mg/dl stark fallend“ an. Ein Wert, der normalerweise vollste Aufmerksamkeit und schnelle Kohlenhydratzufuhr verlangte, ließ in mir den Forscherdrang hochleben. Aktuell muss ich kein zusätzliches Insulin spritzen, da ich mich in der Honeymoon-Phase befinde (Der Honeymoon, der kein Ende nehmen soll). Meine Diabetologin und Ärztin versicherte mir, dass ich ohne externes Insulin auch nicht unterzuckern könnte. Ich lief also weiter. Kurze Zeit später stiegen die Werte auch wieder an, der Körper konnte das selbst wieder regeln. Eine ähnliche Situation hatte ich nachts. Der Alarm des Lesegeräts ging los, obwohl ich ihn schon auf die niedrigste Schwelle (60 mg/dl) gestellt hatte. Ich hielt zusätzlich das Smartphone an den Sensor, das mir Werte um die 75 mg/dl anzeigte. Ein erneuerter Algorithmus soll eigentlich genauere Werte liefern als das Lesegerät, das im Gegensatz zum Smartphone keine Updates bekommt. Schließlich maß ich keine fünf Minuten später Blutzucker und stellte einen nahezu perfekten Wert von 105 mg/dl fest. Ich aß keinen Traubenzucker und kein Brot um 2:00 Uhr morgens wie sonst, sondern legte mich wieder hin.
Auch wenn ich noch keine Loopings erlebt habe, muss man die Werte bei aller Erleichterung im Alltag kritisch hinterfragen und auf seinen Körper hören.
Photo by Priscilla Du Preez on Unsplash