Vor knapp zwei Jahren haben wir (kirchlich) geheiratet. Da ich aber eine Woche später selbst Trauzeuge sein durfte, hatten meine Frau und ich keine filmreifen Flitterwochen. Wir waren ein paar Tage im Elsass und holten die große Reise aber ein Jahr später im südlichen Afrika nach. Nach 2018 und 2019 mache ich jetzt im Jahr 2020 das Triple voll, denn ich bin in der sogenannten Honeymoon-Phase – zumindest sagt das die Theorie.
Der Diabetes macht sich erst richtig bemerkbar, wenn nur noch knapp ein Fünftel der Beta-Zellen aktiv sind und der Körper mit der Insulinausschüttung nicht mehr hinterherkommt. Wird die Bauchspeicheldrüse durch externe Insulinzugabe unterstützt, erlebt sie quasi ihren zweiten Frühling und blüht nochmal so richtig auf. Erforscht ist das scheinbar nicht zufriedenstellend. Bekannt ist nur, dass diese Phase bei ca. 20% der Diabetes Typ 1 – Patienten auftritt und von wenigen Wochen bis zu einigen Monaten anhält.1 Der Bedarf, Insulin zu spritzen, sinkt merklich und kann in wenigen Fällen sogar ganz entfallen. Allerdings hat diese Phase bislang noch immer ein jähes Ende genommen.

Mein Insulinbedarf war von Anfang an sehr niedrig. Meine KE-Faktoren waren anfangs:
- Morgens: 0,75
- Mittags: 0,25
- Snacks: 0,25
- Abends: 0,125
Was bedeutet das? Das Ziel der Insulin-Therapie ist es, die zugeführten Kohlenhydrate mit der entsprechenden Insulinmenge in die Körperzellen zu bekommen, die die Energie brauchen. Wenn ich morgens z.B. 2 Brote esse, haben die zusammen 4 Kohlenhydrat-Einheiten. Multipliziert mit meinem Faktor von 0,75 musste ich 3 Insulin-Einheiten spritzen. Für zwei Brote am Abend spritzte ich entsprechend 0,5 Insulin-Einheiten, um den Blutzucker wieder nach unten zu bekommen.
Nur wenige Wochen nach der Diagnose kämpfte ich nicht mehr mit zu hohen Blutzuckerwerten, sondern mit der Gefahr der Unterzuckerung. Mein Insulinbedarf hat sich reduziert und die Faktoren demnach auch. Vor zwei Wochen passte ich nach Rücksprache den Abendfaktor auf 0 an. Schnell zog ich beim Mittagfaktor nach. Und heute habe ich den Morgenfaktor (der zwischenzeitlich bei 0,5 war) testweise weggelassen. Es scheint zu funktionieren. Allerdings spritze ich nach wie vor täglich das essensunabhängige Basisinsulin: zwei Einheiten jeden Tag. Spricht man mit anderen Diabetikern, spritzen diese aber gut und gerne mal mehr als das zehnfache davon.
Auch wenn der Verstand das Ende dieser Phase schon erwartet, so hofft der Rest in mir, dass dieser Honeymoon nie enden mag.
Dein Beitrag spiegelt 1:1 wieder wie es bei mir gerade ist. Bin seit neuestem Typ-1-Diabetiker und offensichtlich auch in der honeymoon-phase. Ich spritze weiterhin das Basisinsulin und benötige momentan kein Insulin zu den Mahlzeiten – die Blutzuckerwerte sind traumhaft.
Auch deinen letzten Absatz kann ich fühlen. Bist du mittlerweile, ein Jahr später, immer noch in dieser Phase?
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Hallo Julian, das freut mich, dass du dich hier wiederfindest. Bei mir ist es nach wie vor so, dass meine Bauchspeicheldrüse mithilft. Die KE-Faktoren sind auch noch +/- dieselben. Ich finde es interessant, dass du das Bolus-Insulin weglässt und ich das Basal-Insulin. Da ich gerne spontan joggen gehen, finde ich es gut, dass ich dann einfach weniger oder nichts zum Essen spritze und nicht am Morgen schon überlegen muss, wie der Tag abläuft.
Wie ist das bei dir? Du müsstest doch dann bei einem Kuchenbuffet dann trotzdem entgleisen? Oder reicht deiner Bauchspeicheldrüse die geringe Basalunterstützung in allen Situationen?
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Hallo Christian,
also ganz so traumhaft ist es bei mir nun doch nicht. In dieser „Remissionsphase“ bin ich jetzt auch erst seit einer Woche und ich muss noch eine Menge Erfahrungen sammeln.
Ich spritze 3E Basisinsulin am Abend und brauche zum Mittag- und Abendessen kein zusätzliches Insulin, sofern ich mich ganz normal sattesse. Zum Frühstück habe ich einen KE-Faktor von 0,25.
Gestern habe ich mal ausprobiert, wie es beim All-you-can-eat ist. Katastrophal. Dafür musste ich in der Nacht 2*2 Einheiten nachspritzen um von der 240 wieder runterzukommen. Ich hatte mir vor dem Essen trotzdem ein Reservoir gespritzt mit 5 Einheiten (habe gerechnet dass ich bestimmt 30BE zu mir genommen habe). Das Problem war allerdings dass das Insulin zu schnell gewirkt hat als dass der Körper mit der Verdauung hinterherkam, womit ich erstmal der drohenden Unterzurckerung entgegenwirken musste. 4 Stunden nach dem Sushi stieg der Blutzucker dann rasant an, war kaum wieder herunterzubekommen und es kam zur mit Sicherheit zur Bildung von Ketonen im Blut…
Also somit kann ich sagen, meine Bauchspeicheldrüse hilft noch ordentlich mit wenn ich ganz normal esse. Schlage ich über die Stränge, entgleise ich wieder mit den typischen Symptomen… Den Ausrutscher hat mir das Organ für heute aber scheinbar verziehen, da sich der Trend zum Mittag und Abendessen wieder fortgesetzt hat (kein Insulin notwendig)
Klar, bei einem Kuchenbuffet würde ich ziemlich sicher auch entgleisen!
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