Eine Speisekarte mit Nährwertangaben für alle

Als Produktmanager einer App habe ich mich in den letzten Wochen vermehrt mit dem Thema Barrierefreiheit beschäftigt. Wir haben uns gefragt, wie wir es schaffen, die Anwendung so zu gestalten, dass sie von möglichst vielen Menschen gut zu bedienen ist und keinen Nutzer ausschließt. Das Prinzip dahinter heißt „Design für alle“.

„Design für alle“ (www.design-fuer-alle.de) geht einen Schritt weiter als „Barrierefreiheit“, da es von Anfang an die gute Nutzbarkeit in den Mittelpunkt stellt. Es geht darum, Produkte so zu gestalten, dass sie ohne besondere Anpassungen oder Extralösungen für jeden zu nutzen sind. Menschen mit Einschränkungen werden so nicht stigmatisiert und oft wird die Lösung an sich sogar besser. Menschen, die von sich behaupten, keine Einschränkungen zu haben, können von intelligent umgesetzten Lösungen nämlich ebenfalls profitieren. Für Seheingeschränkte ist es z.B. von Vorteil, dass Texte in der Anwendung beliebig nach oben skaliert werden können. Fahrradfahrer, die gerade unterwegs sind, freuen sich vielleicht im gleichen Umfang, dass sie relevante Informationen von weiter weg gut erfassen können.

In diesem Zuge habe ich mich gefragt, in welchen Bereichen ich mir als Mensch mit der Einschränkung Diabetes mehr Inklusion wünschen würde und kam schnell auf die Speisekarte im Restaurant. Seit meiner Diagnose waren die Restaurants coronabedingt mehr oder weniger auf das Liefer- oder Abholgeschäft reduziert. Was den Betrieben Existenzsorgen bereitete, kam mir mit meiner Erkrankung entgegen. Ich konnte mir zuhause in Ruhe überlegen, was auf dem Teller ist und ggf. Bestandteile abwiegen. Ging bei der Einschätzung etwas schief, hatte ich alles da, um entsprechend nachzusteuern. In der normalen Restaurantsituation, stelle ich mir das schwieriger vor. Man weiß nicht sicher, wann das Essen kommt und dann noch nicht mal wie es genau zusammengesetzt ist. Wie gut meint es der Koch mit den Pommes? Was bedeutet „großes Schnitzel“? Ist viel Zucker im Dressing?

Ein Restaurantbesuch kann ziemlich stressig werden. Der Diabetiker muss innerhalb von kurzer Zeit viele Entscheidungen treffen, die auf einer wackeligen Informationsbasis fußen. Würden doch nur immer die Nährwertangaben wie z.B. Kohlenhydrate mit auf der Speisekarte stehen, dann müsste man nicht extra nachfragen oder ein Risiko eingehen. Was bei verpackten Lebensmitteln seit 2016 Pflicht ist, sollte auch in Restaurants beherzigt werden. Nicht nur Diabetiker würden hiervon profitieren. Vermeintlich Gesunde, die auf Low-Carb schwören oder Schwangere, die unsicher sind, ob im Tiramisu rohes Ei enthalten ist, würden sich sicherlich genauso freuen.

Bei meinen Recherchen dazu bin ich auf eine Initiative gestoßen, die genau das fordert. Diabetes-stimme.de hat im Rahmen des Weltdiabetestages eine E-Mail-Aktion gestartet, die sich an die Bundesernährungsministerin Julia Klöckner und den Hotel- und Gastwirtschaftsverband wendet. Die Forderung ist: „Nährwerte auf Speisekarten ausweisen!“.

Gerne mache ich Werbung dafür: https://www.diabetes-stimme.de/naehrwerte-auf-speisekarten-ausweisen, auch wenn ich leider befürchte, dass die Restaurants nach der Coronakrise erstmal nicht damit belastet werden.

Photo by Catherine Heath on Unsplash

Ein Kommentar zu „Eine Speisekarte mit Nährwertangaben für alle

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  1. Den Wunsch nach BE-Angaben auf Speisekarten kann ich verstehen, jedoch für etwa 3-5 % der Kunden mit einem Diabetes werden Restaurants keine BE-Angaben auf die Speisekarte bringen. Was einzig hilft, ist das Lernen und Trainieren der BE-Werte durch eine gute Haushaltswaage. Hier lernt man schnell wie viel 60g roher Reis sind und ob dies für eine Mahlzeit ausreicht. Hier heißt es trainieren, trainieren. BE-Werte lernt man wie Vokabeln. Dazu gibt es Apps und kleine, handliche gedruckte BE-Tabellen.

    Trainiert wird zuhause und dann draußen in der Kantine, im Restaurant oder wherever gelebt. Und das funktioniert bei mir seit Jahrzehnten gut. Im Bedarfsfall 30 Minuten nach dem Essen zusätzlichen Messwert reinschieben. Bei einer Entgleisung nach oben 240mg/mmol gibt man drei IE zusätzlich dazu. Man beachte leichte Erhöhungen (160mg/mmol) sind nach einem Essen normal. Wenn nach zwei Stunden Unterzuckerungssymptome auftauchen, werden zwei Traubenzuckerriegel reingeschoben und am besten etwas dazu getrunken. So erfolgt die Absorbtion am schnellsten… und alles wird gut.

    Grüße

    Rüdiger

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