Wie krank muss man sein, um sich gegen Corona impfen zu lassen? Ja, das liest sich im ersten Moment so, als ob das ein covidiotischer Querdenker bei einer Großdemo in Berlin auf ein Pappplakat geschrieben hat. Tatsächlich stelle ich mir diese Frage aber ganz akut.
Die ersten Pharmafirmen produzieren aktuell unter Hochdruck einen Impfstoff gegen Covid-19 und in den nächsten Tagen und Wochen kann es losgehen. Dieser großartigen Nachricht folgen direkt die nächsten Fragen: Wie schaffen wir es in möglichst kurzer Zeit, möglichst viele Menschen zu impfen? Wie halten wir die Kühlkette ein? Wie steht es überhaupt um die Impfbereitschaft in der Bevölkerung? Gibt es genügend Personal, das impfen darf, wenn medizinisches Personal doch anderweitig gebunden ist? Und es stellt sich natürlich die Frage, in welcher Reihenfolge geimpft wird und wer das wie entscheidet.
In aktuellen Berichterstattungen klingt durch, dass wenig verwunderlich vor allem medizinisches und pflegendes Personal zuerst geimpft werden sollte. Auch andere wirklich systemrelevante Berufsgruppen sollten Vorrang haben. Und dann gibt es noch die Risikogruppen. Gesundheitsminister Jens Spahn macht klar, dass aber durchaus 40% der Deutschen dazu gezählt werden könnten. Alleine 23 Millionen Deutsche sind über 60 Jahre alt. Menschen mit Vorerkrankungen, die den Herzkreislauf betreffen, die Atemwege einschränken oder deren Leber oder Nieren angegriffen sind, sind ebenso betroffen wie Menschen mit Diabetes. Auch Krebspatienten oder Menschen, deren Immunsystem ggf. durch Medikamente geschwächt ist, müssen bei einer Infektion mit schweren Folgen rechnen.
Hinzu kommen sogenannte Volkskrankheiten wie Adipositas oder Rauchen, was jeweils etwa 25% der Deutschen betrifft. Wahrscheinlich gibt es hier nicht wenige Überschneidungen und das ist genau das Thema. Je mehr Risikofaktoren jemand aufweist, desto anfälliger ist er natürlich auch. Hier scheint die alte Matheformel von Minus und Minus keine Anwendung zu finden.
Es wird schnell klar, dass es eine Regelung geben muss, wer in welcher Reihenfolge geimpft wird. Dazu sitzen Experten des Robert-Koch-Instituts, der Ständigen Impfkommission und des Ethikrates zusammen, um Abwägungen und den Gesetzesgebern Empfehlungen zu machen. Aber hat jetzt ein Krebspatient Vorrang vor jemandem mit Atemwegsproblemen? Auf welcher Basis wird das in so kurzer Zeit entschieden? „Hilft“ es im Ranking zu steigen, wenn jemand gleich mehrere Risikofaktoren vereint oder sorgt das sogar für gegenteilige Tendenzen?
Und damit komme ich wieder zu der Ausgansfrage und mir zurück. Will ich, dass ich mit meinem Diabetes Typ-1 weit oben im Ranking bin oder freue ich mich sogar, wenn mir durch ein niedriges Ranking ggf. ein besserer Allgemeinzustand attestiert wird? Würde ich mich überhaupt direkt impfen lassen, wenn es vielleicht noch keine ausreichenden Studien speziell mit Diabetikern gegeben hat? Auf jeden Fall warte ich gespannt auf eine Einstufung und die Methodik, wie diese getroffen wird.
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