Insulin Notfall: Warum private Tauschbörsen riskant sind

Nach mehr als fünf Jahren Diabetes sollte eigentlich Routine eingekehrt sein. Aber der Morgen mit zwei Kindern ist hektisch, man hetzt zur Arbeit und so kann es dann doch passieren: Das Insulin liegt unberührt auf dem Küchentisch, während ich an einem langen Workshop-Tag in der Kantine stehe und überlege, was ich jetzt nur essen kann.

Natürlich ist mir das neulich passiert. Also gab es für mich nur einen kleinen gemischten Beilagensalat. Meine Kollegen bemerkten das sofort. „Was ist los, machst du eine Diät?“ fragten sie verwundert. Als ich die Situation erklärte, kam sofort die Frage hoch, über die ich ehrlicherweise noch nie nachgedacht habe: „Wir sind doch ein großes Unternehmen, da gibt’s doch bestimmt noch andere Diabetiker. Kannst du nicht einfach von einem Kollegen Insulin bekommen?“.

Auch wenn ich das ausgegebene Eis am Nachmittag ausschlagen musste, habe ich den Tag im Büro unbeschadet überstanden. Aber die Frage der Kollegin hat mich nachdenklich gemacht. Wäre es nicht toll, wenn es so eine Art „Notfall-Tauschbörse“ gäbe? Ein Netzwerk, in dem man notfalls auch am Sonntag in einer fremden Stadt schnell und unkompliziert an das lebenswichtige Insulin kommen könnte?

So verständlich der Gedanke auch ist, sich gegenseitig auszuhelfen: Der private Tausch von verschreibungspflichtigen Medikamenten ist aus guten Gründen verboten.

Insulin ist kein Hustenbonbon. Es ist ein verschreibungspflichtiges Medikament und fällt streng unter das Arzneimittelgesetz. Wer es privat weitergibt, begeht eine Straftat. Denn Insulin unterliegt der Apothekenpflicht (§ 43 AMG). Das heißt, es darf nur in einer Apotheke und nur gegen ein ärztliches Rezept ausgehändigt werden.

Wenn man also seinen Kollegen das dringend benötigte Insulin gibt, macht man sich strafbar. Im schlimmsten Fall drohen dafür Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren oder hohe Geldstrafen (§ 95 AMG). Und das nur, weil man helfen wollte.

Noch viel wichtiger sind die Gesundheitsrisiken für denjenigen, der das Insulin bekommt. Das Gesetz dient unserem Schutz, denn

  • Insulin ist sehr sensibel. Es muss kühl gelagert werden und darf bestimmte Temperaturen nicht überschreiten. Auch wenn du deinen Kollegen grundlegend vertraust, bei einer offenen Tauschbörse kann man sich ganz bestimmt nicht sicher sein.
  • wenn du Insulin von jemand anderem bekommst, kannst du nie zu 100 % sicher sein, woher es kommt und wie lange es noch haltbar ist.
  • was passiert, wenn das Insulin, das du deinem Kollegen gibst, nicht mehr wirkt und er in eine gefährliche Unter- oder Überzuckerung gerät? Plötzlich stehst du nicht mehr als Helfer, sondern als Verursacher da und musst dich am Ende zusätzlich noch wegen fahrlässiger Körperverletzung verantworten.

Die Idee des privaten Austauschs ist verlockend, aber sie bringt uns alle in eine schwierige Situation. Der einzig richtige und sichere Weg, um an Insulin zu kommen, ist immer der über einen Arzt, eine Klinik oder eine Apotheke.

Wenn du also in einer fremden Stadt ohne Insulin dastehst, suche die nächstgelegene Notaufnahme oder Apotheke auf. Mit deinem (internationalen) Diabetes-Ausweis in der Tasche, der alle wichtigen Infos z.B. auch auf Englisch (oder in anderen Sprachen) enthält, bekommt ein Arzt schnell die Informationen, die er braucht, um dir ein neues Rezept auszustellen. Ja, das mag etwas länger dauern als einen Kollegen anzurufen, aber es ist der einzige Weg, der dich und andere schützt.

Foto von Tyler Rutherford auf Unsplash


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